Countdown für die globale Mittelklasse[/size] [size=125]In zwei Wochen beginnt in Rüsselsheim die Serienfertigung des Insignia
Das Puzzle hat so etwa 4000 Teile – und wenn Axel Scheiben nach einem davon suchen müsste, dann hätte er das Spiel schon verloren. Denn der Direktor des Stammwerks ist mit seinem Stab dafür verantwortlich, dass die Produktion des neuen Opel Insignia reibungslos anläuft, und dafür hat er noch zwei Wochen Zeit. Am 17. Oktober beginnt die Serienfertigung des neuen Mittelklasse-Modells, dann werden im Minutentakt die Wagen vom Band der Rüsselsheimer Fabrik zu den Händlern rollen.
23.000 Insignias sollen noch in diesem Jahr montiert werden – trotz der schwierigen Lage auf dem europäischen Automobilmarkt gilt das neue Modell als Hoffnungsträger in der sogenannten oberen Mittelklasse. Nicht nur für Opel, sondern auch für den Mutterkonzern General Motors (GM). Denn insgesamt 16 GM-Modelle basieren auf der Architektur des Insignia. „Im Augenblick schaut der ganze Konzern auf uns“, sagt der 50 Jahre alte Scheiben, „wir bauen die globale Mittelklasse.“ 280.000 Trainingsstunden am Band
Die Umstellung der Produktion in Rüsselsheim ist von langer Hand vorbereitet: Seit zwei Jahren sei man in das Projekt eingebunden, sagt Scheiben. Ein „Launch Team“ mit Spezialisten aus allen Abteilungen sei an der Entwicklung des Insignia beteiligt, so früh wie möglich habe man sich so auf die Fertigung des neuen Modells vorbereitet. „Denn wenn die Werkzeuge erst einmal in der Fabrik stehen, dann kann man nur noch wenig eingreifen.“
Das eine sind die Maschinen, das andere die Menschen: Knapp 3500 Mann arbeiten im Opel-Stammwerk, und sie haben sich minutiös auf die Fertigung des Insignia vorbereitet. 280.000 Trainingsstunden sind laut Scheiben von den Monteuren am Band und dem Wartungspersonal absolviert worden. Geübt haben sie zum Beispiel an der „Pilotlinie“, einer speziellen Fertigungsstrecke im Opelturm, dem markantesten Gebäude der Fabrik. Rund 40 Exemplare wurden dort gebaut, bevor im März mit der Montage in „Leanfield“, dem 2002 in Betrieb genommenen neuen Werk, begonnen wurde. „Das war der Zeitpunkt, zu dem dort die Anlagen schon den Stand für die Serienfertigung erreicht haben mussten.“
Seitdem habe man daran gearbeitet, die Fertigung Zug um Zug zu verbessern, jede Minute Verlust zu untersuchen. Wobei: 60 Sekunden sind im Takt des Fließbands eine kleine Ewigkeit. Taucht bei der Montage ein Problem auf, dann hat der Arbeiter etwa 30 Sekunden Zeit, es zusammen mit seinen Kollegen zu beheben. Misslingt das, stoppt das Band. Und was in der Pilotproduktion noch gewollt ist, um Fehler auszumerzen, wäre in der Serienfertigung ein mittelschweres Unglück. Ein Rüsselsheimer Auto
Die Qualität des Produkts ist die entscheidende Richtschnur – eine Lektion, die Opel in der Vergangenheit schmerzhaft lernen musste: Mängel an der Güte der Autos aus Rüsselsheim in den späten neunziger Jahren waren einer der Gründe für die schwere Krise des Traditionsunternehmens, während der zeitweise nicht einmal mehr klar war, ob im Stammwerk überhaupt noch Autos gefertigt werden sollten. GM entschied sich für den hessischen Standort und vergab auch den Produktionsauftrag für den Vectra an den Firmensitz. Noch läuft der Hoffnungsträger von gestern vom Band, und dass parallel dazu die Fabrik auf die Montage des Nachfolgers umgestellt wird, bedeutet für Scheiben und sein Team eine besondere Herausforderung. „Qualität“ ist das eine Lieblingswort des Werksdirektors, „Zeitplan“ das andere. Und mit Plänen sind auch die Flure und der Treppenaufgang zu Scheibens Büro tapeziert.
Tatsächlich ist der Insignia ein Rüsselsheimer Auto, denn dort erfolgt nicht nur die Endmontage, es werden auch etliche Einzelteile dort hergestellt. Einige Komponenten kommen aus Kaiserslautern, aber selbst die Karosserie wird im Rüsselsheimer Presswerk geformt. Mittlerweile sind schon mehr als 1000 Wagen produziert worden, in zwei Varianten – als Vier- und Fünftürer. Vom nächsten Jahr an kommt noch der „Sport Tourer“ als Caravan dazu. Daneben soll auf der Basis des Insignia später auch ein Saab-Modell entstehen, weswegen Scheiben von einer „hochflexiblen Produktion“ in Rüsselsheim spricht. Und die ist noch einmal deutlich effektiver als bei den jetzigen Modellen: Weniger als 20 Stunden Arbeitszeit werden für die Montage des Insignia einkalkuliert, beim Vectra sind es noch 24 Stunden.
Die Vorgaben sind ehrgeizig: Der Absatz des oft als zu bieder empfundenen Vectra verläuft schleppend, mit der alten Mittelklasse war das Werk nur noch zu zwei Dritteln ausgelastet. 2009 sollen vom Insignia 180.000 Stück gebaut werden – und sollte sich der Wagen besser verkaufen als erwartet, könnte der Ausstoß durch eine dritte Schicht im Werk auf 270.000 Exemplare erhöht werden.
Der Optimismus bei Opel ist groß, von der Begeisterung der Designer und Ingenieure haben sich auch die Arbeiter in der Montage anstecken lassen: Als der erste Insignia vom Band fuhr, applaudierte die Belegschaft: „Der Funke ist übergesprungen“, sagt Scheiben, eine solche Begeisterung für ein Auto habe er eigentlich erst einmal erlebt: „Das war damals, als der Calibra gebaut wurde.“ Fast 20 Jahre sind seitdem vergangen.